Mein verzweifelter Versuch, etwas anderes als Kässpätzle zu essen zu bekommen



*** please scroll down for the English version of the text ***

Seit 2014 ernähre ich mich komplett vegetarisch. Dies beruht auf einem wohlüberlegten Entschluss und für diese Lebensweise sprechen zahlreiche Argumente. Kurz und knapp: Ich habe Fleisch (und Fisch) seither nie vermisst, da ich nie besonders gerne oder viel Fleisch gegessen habe. So ist das rein vegetarische Kochen für mich mehr ein Gewinn als ein Verzicht, da ich immer mit meinem geliebten Gemüse kochen kann.

“Warum ernährst du dich vegetarisch?” – die kurze Antwort

Wer mich dies fragt wird von mir nicht in einem jämmerlichen Ton zu hören bekommen “Mir tun die Tiere so leid ...”. Das tun sie mir auch, aber mir tun noch ganz andere Dinge bw. Lebewesen leid. Ich habe allem voran ein Problem mit Massentierhaltung. Für mich persönlich passt die vegetarische Lebensweise. Die ausführliche Antwort werde ich später in diesem Artikel noch erläutern.

Vegetarier als exotische Randgruppe. Oder: Warum habe ich im Restaurant keine Wahl außer Kässpätzle?

Kässpätzle im Restaurant boykottiere ich. Ich kann es nicht mehr hören bzw. lesen – und will sie nicht mehr essen. Denn in so vielen Restaurants sind sie auf der Speisekarte die einzige einzige Wahl für Vegetarier. Als würde die vegetarische Küche nicht mehr hergeben. Mittlerweile bin ich echt sauer, dass man es als Vegetarier beim Essengehen so schwer hat (die vegane Lebensweise scheint aus diesem Grund schlichtweg nicht gesellschaftstauglich).
Warum besteht die Speisekarte in den meisten Restaurants zu 95% aus Gerichten mit Fleisch? Warum muss in den Zwiebelkuchen oder das Bohnengemüse immer Speck gemischt werden? Warum gibt es beim Italiener eine Speisekarte mit 30 verschiedenen Pizzen und für Vegetarier lediglich die Pizza Vegetariana und die Margaritha zur Auswahl (Nein, wenn ich Pizza essen gehe, will ich ausnahmsweise keine Mengen an Gemüse, die die ganze Pizza verwässern, also keine Pizza Vegetariana … so wie der Name schon klingt, für die komischen Vegetarier. Ich würde mich jedoch freuen, auch eine kleine Auswahl an leckeren vegetarischen Pizzen, z.B. mit Oliven, Pilzen und Pepperoni – aber ohne Schinken oder Salami – zu haben). Letztes Beispiel: Neulich im gutbürgerlichen Restaurant. 20 Vorspeisen – für Vegetarier ist nur ein grüner Salat dabei. Auf meine Frage, ob ich denn einen etwas größeren Salat haben könnte, werde ich genervt angeschaut. Nach dem Motto: “Wir bekommen unseren Laden auch so voll und brauchen keine Umstände wegen Vegetariern zu machen.” Mit dem Tafelspitz meines Gegenübers wird dann ein herrlicher gemischter Salat, sogar Zucchinisalat serviert. Wäre es denn so schwer, die Speisekarte um einen bunten, gemischten, vegetarischen Salat zu erweitern? Kann man den Vegetariern nicht so weit entgegenkommen? Wenn ich essen gehe, will ich niemand davon überzeugen, auch zum Vegetarier zu werden, ich will nicht mal drüber sprechen. Aber ich habe es so satt, wie ein blöder Exot oder Teil einer komischen Randgruppe behandelt zu werden! Ich mache doch nichts Schlimmes. Im Gegenteil, dadurch dass ich kein Fleisch esse, leiste ich einen ganz kleinen Beitrag für die Umwelt und das Tierwohl. Das ist doch positiv. Dafür will ich keine Anerkennung oder Aufmerksamkeit, ich möchte einfach normal behandelt werden und keine Kässpätzle mehr essen. Es ist einfach schade, dass die Gastronomiebranche da so hinterher ist. In den meisten Restaurants treffen die von mir beschriebenen Szenarien nämlich zu. Leider sind die paar hippen veganen und vegetarischen Restaurants in Großstädten die absolute Ausnahme. Vegetarier und vor allem Leute, die nicht zu jeder Mahlzeit Fleisch essen müssen, hingegen nicht.
Und im Übrigen ist auch der Gesundheitssektor etwas rückständig. Als ich mir die Speisekarte im Krankenhaus angesehen habe, hat mich ebenfalls der Schlag getroffen. Man hat die Auswahl aus 3 fleischlastigen Gerichten und einem vegetarischen Gericht, als “Schonkost” betitelt. In welcher Zeit leben wir? Ich bin enttäuscht und zu ungeduldig, den gesellschaftlichen Wandel nur so schleppend mitzuerleben. Wird Thunfisch als Zugabe jeden zweiten Salates auf der Speisekarte erst gestrichen, wenn es keinen mehr gibt, weil der Thunfisch ausgestorben ist?
Noch eine Anmerkung: Spreche ich mit Freunden und Bekannten über das Thema Ernährung und Fleischkonsum, betonen alle, wie bewusst sie Fleisch essen “Ich kaufe mir nur ein Mal im Monat mein Biofleisch vom Hof aus dem Nachbarort”. Generell finde ich es sehr positiv, dass so viele Leute bewusst ihr Fleisch einkaufen. Damit habe ich wie gesagt gar kein Problem, lediglich mit Massentierhaltung. Nur hört diese Konsequenz in den meisten Fällen leider auf, wenn es ums Auswärts essen geht. Da höre ich kaum jemand fragen, wo das Fleisch herkommt. Anstattdessen werden die meisten auf der fleischlastigen Speisekarte fündig. Etwas mehr Konsequenz wäre schön.

Auch Vegetarier haben Tiere auf dem Gewissen

Ich habe nie behauptet, durch mein Vegetarier-Sein die (Tier-)Welt zu retten. Mir ist bewusst, dass ich auch als Vegetarierin Tiere auf dem Gewissen habe - man denke an all die männlichen Küken, die keine Eier legen und für die Fleischzüchtung dienen, welche geschreddert werden. Und auch darüber, ob es Kühen auf Bio-Höfen gut geht, lässt sich streiten. Und sogar wenn ein Veganer Mandeln ist, muss er sich fragen, was die Bienen mitgemacht haben, bis sie die blühenden Plantagepflanzen bestäubt haben. Im Film “More than honey” wird beispielsweise ein US-amerikanischer Bienen-„Farmer“ gezeigt, der mit seinen Völkern je nach Blütezeit pro Jahr ein Mal quer durchs Land fährt um die Bienen jeweils auf die gerade blühenden Plantagepflanzen loszulassen. Eine Qual für die Bienen.

“Warum ernährst du dich vegetarisch?” – die ausführliche Antwort

Der Auslöser für einen bewussten Entscheid zu dieser Lebensweise hat – wie bei so vielen – die Lektüre des Buches "Eating animals" (auf deutsch heisst es wörtlich übersetzt "Tiere Essen") von Jonathan Safran Foer gegeben. Die Gründe zusammengefasst lauten folgendermaßen:

1. Der moralische Aspekt

Ich widerspreche der Behauptung nicht, dass der Mensch bzw. der menschliche Magen dafür gemacht ist, Fleisch zu essen. Fleisch essen ist in dem Sinne nicht unnatürlich. Allerdings sollte sich jeder Fleischesser regelmäßig ins Bewusstsein rufen, dass für das Fleisch auf dem Teller ein Tier getötet wurde. Und auch wie dieser Tötungsprozess im Detail vonstatten geht (im Grundsatz unabhängig davon, ob ein Tier unter grausamsten Umständen zu Tode gequält wurde oder einen schnellen Tod gestorben ist). Dieser Gedanke ist nicht schön und für viele nur mit konstanter Verdrängung erträglich. Eine ehemalige Lehrerin von mir zu Schulzeiten sagte einmal, dass jeder, der Fleisch isst, theoretisch auch selbst sein Huhn schlachten können müsste. Das ist Konsequenz. Ich habe diesen Spruch öfter Leuten erzählt, und musste immer anmerken, dass ich wohl zum Vegetarier würde, bevor ich ein Huhn köpfen würde. Also ist es nur konsequent, wenn ich zum Vegetarier werde und die obige Frage für mich ab jetzt mit „nein“ beantworte. Wenn ein Jäger auf die Jagd geht und ein einziges Tier erlegt, beantwortet er diese Frage mit “ja”. Auch konsequent und für mich völlig akzeptabel.

Die Verdrängung dieses Thema wird uns allerdings leicht gemacht, und das ist der Kern des Problems: Wir haben den Bezug zu so vielem, was wir tun und essen verloren, denn wir müssen uns heute nicht mit den Details des Tötungsprozesses auseinandersetzen. Wir können das Fleisch abgepackt überall kaufen, während uns die Werbung auf der Packung suggeriert, dass das Tier ein glückliches Leben hatte, womit unser Gewissen beruhigt wäre.

2. Der gesellschaftliche Aspekt

Global gesehen ist es höchst ineffizient, Fleisch zu essen. Auf den Agrarflächen, auf denen Nahrung angebaut wird, die anschließend an Tiere verfüttert wird, könnte alternativ auf direktem Wege (wenn also direkt Menschen durch die pflanzlichen Ernteerträge ernährt würden) sehr viel Menschen ernährt werden. Ein Beispiel, um die Ressourcenverschwendung zu konkretisieren: Auf einem Hektar Land können nur Futtermittel zur Produktion von 185 kg Rindfleisch, aber zum Beispiel 22.500 kg Kartoffeln angebaut werden. Für 100 g Rindfleisch bedarf es 2000 l Wasser (das sind einige Badewannen!), während 100 g Weizen bloss 5 l Wasser erfordern (Quelle: Für ein bisschen Fleisch, Antidot). Einmal abgesehen davon ein Argument, dass nicht den Welthunger betrifft, sondern unsere (westliche) Welt: Denke ich an die grässlichen Arbeiten, die von Menschen in industriellen Schlachtbetrieben durchgeführt werden müssen, finde ich das einfach barbarisch und absolut nicht zeitgemäß. So eine Tätigkeit sollte keinem Mitglied unserer Gesellschaft (auch noch für einen Hungerlohn) zugemutet werden. Auch wenn Töten in der Natur zum Kreislauf der Dinge gehört, man sollte meinen, dass es in dieser Form nicht Teil unserer zivilisierten Gesellschaft sein muss.

3. Der umwelttechnische Aspekt

Die Viehzucht ist für einen signifikanten Teil der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Laut der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) 13,5 % (offizielle Zahl aus dem Jahr 2013) des global Treibhausgasausstoßes, um genau zu sein. In neueren Studien wird oft ein viel höherer Prozentsatz genannt. Am Rande: Methan (das Treibhausgas, das Kühe im Verdauungsprozess mitproduzieren und welche für einen Großteil des Methangasausstoßes verantwortlich sind) ist als Treibhausgas in der Atmosphäre 25 Mal so wirksam wie Kohlendioxid.

4. Der gesundheitliche Aspekt

Ich bin der Überzeugung, dass es einem bei einer ausgewogenen vegetarischen Ernährung an nichts fehlt, sondern dass man sich und seinem Körper eher einen Gefallen tut. An dieser Stelle will ich nicht mehr ins Detail gehen - es gibt eine Vielzahl an Studien, die bestätigen, dass beispielsweise das Risiko von Herzkreislauf-Erkrankungen durch hohen Fleischkonsum erhöht wird. Ich bevorzuge es auch, die Antibiotikareste aus Industriefleisch nicht mitzukonsumieren. Dieser Grund ist allerdings nicht der Hauptgrund für meine vegetarische Ernährung.

Schlusswort

Ja, ich rege mich darüber auf, dass Fleisch paradoxerweise oft günstiger ist als vegetarisches Essen (das trifft auch auf vegane Ersatzprodukte zu, aber auch auf ganz herkömmliches Gemüse). Ich rege mich auch darüber auf, dass es einem als Vegetarier und auch als Mensch, der gar nicht immer Fleisch essen muss, so schwer gemacht wird, auswärts etwas Leckeres und Vegetarisches zu essen. Das ist gesellschaftlich überfällig. Und mich ärgern mich Kommentare und Witze zu diesem Thema (“Vegetarier können ja Blümchen essen”). Ich will gar nicht drüber reden, diskutieren oder missionieren – ich möchte ganz einfach meinen vegetarischen Lebensstil, mit dem ich niemandem schade, leben können.

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Why I am tired of being treated like a part or a fringe group as a vegetarian

I have been eating vegetarian since 2014. I have taken this decision thoughtfully and there are many arguments for it. Briefly: I have never missed meat (or fish) since then as I have never particularly liked meat. Cooking exclusively vegetarian is rather a gain than a sacrifice for me, as I can always cook with my beloved vegetables. 

“Why are you a vegetarian?” the short answer

If you ask me this question, you won’t hear from me “Because I feel so sorry for the poor animals …”. Well, I am sorry for them, but I am sorry for many more things, too. Above all, I do have a problem with factory farming. The vegetarian lifestyle fits for me. You can find the detailed answer below in this article.

Vegetarians as an exotic fringe group

I boycott “Kässpätzle” (typical German noodles with a lot of fat cheese) in restaurants. I can’t hear or read it anymore and I don’t want to eat them anymore either. They make up for the only vegetarian choice on the menu in many restaurants. As if the vegetarian cuisine would be limited to this. I am pretty mad at the moment, that it is so hard to find something to eat when eating out as a vegetarian.Why does the menu in most of the restaurants consist of 95% meat dishes? Why do you have to stir bacon in the onion tart and all bean vegetables? Why do you have the choice between 30 different pizzas at an Italian restaurant but only two vegetarian ones (No, when I want to eat a pizza, I do exceptionally not want tons of vegetables, which water the whole dough. No Pizza Vegetariana for me ... as the name indicates, for the strange vegetarian persons. On the other hand, I would be happy to choose from a small range of vegetarian pizzas, with olives, mushrooms and pepperoni – but without ham or salami)?  Last example: Recently in a plain restaurant. There were 20 starters on the menu, only a green salad for vegetarians. The answer to my question if I could get a richer salad is answered with an annoyed look in the way “Our place is full anyway, we don’t need to bother because of vegetarians.”  The boiled fillet of my counterpart is served with a colorful, mixed, vegetarian salad. Why is it not possible to put his on the menu so that vegetarians actually do have a choice? Why am I asking too much with this? When I go out for dinner, I don’t want to convince anybody of the vegetarian lifestyle, I don’t even want to talk about it. But I am so tired of being treated like a mad exotic or part of a strange fringe community! I don’t do anything wrong. On the contrary, by being a vegetarian, I make a tiny contribution to our environment and the animal welfare. I don’t want any appreciation or attention for it, I just want to be treated normally. And I don’t want to eat Kässpätzle anymore. It’s just a pity that the gastronomy industry is so far behind. The few very hip vegan and vegetarian restaurants in cities are exceptions.Vegetarians as well as people who do not need to eat meat with every meal are not.

One remark: Whenever I talk to friends or acquaintances about nutrition and the consumption of meat, everybody emphasizes how consciously he or she eats meat. “I only buy once a month organic meat from the farm in the neighbour village.” I generally find it very positive that so many people seem to deal with the topic and to make conscious meat consumption choices. As I said, I do not have a problem at all with this, only with factory farming. It’s just that the consistency ends when it comes to eating out. I rarely hear somebody ask the question, where the meat on the menu comes from. Instead, most people find something to eat on the meat-based menu. A little more consistency would be desirable. 

Vegetarians are also responsible for the death of animals

I never claimed to save the (animal) world through becoming a vegetarian. I am aware that vegetarians are also responsible for the death of animal - just to mention all the male chicks being shredded. And you can also argue if all the cows on farms with the “organic label” are treated adequately. And even if a vegan eats almonds, he must ask himself what the bees have gone through until they pollinated the blooming almond plantations. In the film More than honey” it is for example shown how an american “bee-farmer” drives his bees through the whole country to let them dust all the planations when blossoming. A torture for the bees. 

“Why are you a vegetarian?” the short answer

Reading the famous book "Eating animals"by Jonathan Safran Foer prompted my decision. A summary of my reasons will follow now:

1. The moral aspect

Eating meat is not unnatural in my opinion.But I also think that everybody who eats meat should regularly make himself aware that for the meat on his plate, an animal has been killed. And also how this killing process takes places. This thought is not nice and many prefer to completely forget about this.  

A former school teacher once said that everybody who eats meat should in theory also be able to kill the chicken which he is eating. This is consistency. As I wouldn’t do this, being a vegetarian is the right choice for me (I was aware of my inconsistency before becoming a vegetarian and it made me think a lot). 

If a hunter goes hunting and shoots a single animal is consistent, too, in my view.

The suppression of this topic is rendered easy for us and that is the core of the problem: we have lost the relation to so much we do or consume. We don’t have to think the killing process of an animal. We can buy the meat in the supermarkt, while the label of the packaging suggests that the animal has had a good life what soothes our conscience.

2. The societal aspect

On a global scale, it is inefficient to eat meat. On the agricultural land, where the food for the animals is grown, you could feed many more persons directly with plant-based food. I do have another argument concerning our (western) world and not the world hunger: If I think of the cruel work that needs to be executed by the people working in industrial slaughterhouses, I come to the conclusion that this work is barbaric and not contemporary. Noone in our society should need to do such a job (for a ridiculous salary). Even if death and killing are parts of the circle of life, they must not be forced in this way as parts of our civilized society. 

3. The environmental aspect

Livestock breeding accounts for a significant part of the greenhouse gas emissions. 13.5% of the total greenhouse gas emissions according to the FAO (officia number from 2013). In more recent studies, you can read about much higher percentages.

4. The health aspect

I am convinced that a vegetarian diet is healthier. But as this reason has not been my main reason for my decision to become a vegetarian, I don’t want to go deeper into this topic (there are so many studies recently). 

Closing of the speech

I am annoyed that meat is cheaper than vegetarian food (this is true for vegan substitutes, but also for ordinary vegetables). I am annoyed that it is so hard to find something good to eat in restaurants if you want to eat vegetarian. I get angry by comments and jokes about this topic. I don’t want to talk about it, discuss or to do missionary work I just want to live my vegetarian lifestyle, that does not harm anybody.

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