"Ein Leben" ("One life") versus "Work-Life-Balance"

montravail * Erklärung / explanation


Zu Beginn eine kurze Bemerkung, um Missverständnisse zu vermeiden: Mir ist bewusst, dass ich hier ein für manche Person in einer anderen Situation etwas heikles Thema anschneide. Vollbringt jemand harte Arbeit, weil er eine Familie ernähren muss und verdient dabei kaum ausreichend, dann mag mein Statement etwas unangebracht erscheinen. Aber ich schreibe diesen Blog aus meiner Perspektive, von jemandem, dem immer gesagt wurde: Du hast alle Möglichkeiten und kannst studieren und den Job wählen, den du willst – womit ich mir nicht so leicht tue, auch wenn es ein Privileg ist.

Als ich nach meinem Studium in der Bewerbungsphase war, fand ich das Konzept der Work-Life-Balance schon damals nicht besonders erstrebenswert. Ich war auf der Suche nach einem Job in einem Unternehmen, wo ich alles geben und weiterkommen konnte. Wenn ein potentieller Arbeitgeber damit warb, dass niemand Überstunden mache und um 17 Uhr praktisch niemand mehr im Büro sei, dann empfand ich das nicht attraktiv. Die langen Arbeitszeiten bei meinem ersten Job fand ich dann aber auch nicht lustig – weil mir die Arbeit keinen Spaß gemacht hat. Den Deal als Ganzen (inklusive der Work-Life-Balance) bei meinem zweiten Job fand ich schon eher akzeptabel – nur hat mir auch das nicht gereicht. Mein Ideal wurden die Leute, die ihre Arbeit lieben und das auch ausstrahlen. Und von diesen gibt es einige – zuletzt habe ich das Thema mit einer Buchhändlerin hier in Freudenstadt diskutiert, die vom Privileg erzählte, einer Tätigkeit nachgehen zu können, die man wirklich gerne macht.

Insbesondere auf meinen Reisen bin ich einigen Leuten begegnet, die in ihrem Leben schon 1000 Tätigkeiten nachgegangen sind, viel gesehen und erlebt haben, und dabei ausgeglichen und glücklich und finanziell keine Sorgen zu haben schienen. Auch auf dem Jakobsweg in Frankreich lernte ich einige Herbergsbesitzer kennen, die sich in der Saison einerseits gerne um Pilger kümmerten, aber sich auch rund um ihr Haus verwirklichten und werkelten und sich für eine Reihe anderer Dinge engagierten. Und auch sie alle schienen dabei glücklich und über die Runden zu kommen. Den Wunsch nach solch einem Leben hegte ich auch, zumindest wollte ich es ausprobieren. Und genau das tue ich jetzt. Ich genieße mein „eines Leben“, bei dem ich für mich arbeite und meinen Tag so strukturieren kann wie ich will (oder zumindest mit mehr Freiheiten als bei einem Vollzeitjob). Ich mache einfach jeden Tag an sämtlichen Fronten weiter (Haushalt, Renovieren, Planung des Umbaus, Finanzplanung, Putzen und Kochen für Besuch und Helfer, Sport, Übersetzen, um ein wenig Geld zu verdienen…). Bis jetzt ist mir auch noch nie die Decke auf den Kopf gefallen und das Nie-Fertig-Sein habe ich bei dem großen Haus auch akzeptiert. Ob mir das auch auf Dauer und wenn ich ständig Gäste im Haus haben werde noch so erstrebenswert scheint wie jetzt oder, ob ich doch das Heimkommen und fertig sein nach der Arbeit ein wenig vermissen werde, wird die Zeit zeigen. Für den Moment genieße ich mein buntes Leben und hoffe, dass mein Enthusiasmus für alles erhalten bleibt.

Das Thema mit der Work-Life-Balance versus einer Tätigkeit nachgehen, die einem so begeistert, dass man die Zeit vergisst und alles gibt ist auch in der Unternehmerliteratur ein großes Thema. Kein Wunder, da von Unternehmern in jedem Fall viel Einsatz abverlangt wird (was nicht heißt, dass das für Arbeitnehmer nicht gilt!). Hier das letzte inspirierende Video, das ich zu diesem Thema gesehen habe:

https://www.youtube.com/watch?v=tnxcDOD-NoY

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Let me start with a short comment to prevent misunderstandings: I am aware that I am touching a subject that might be delicate for one or the other person in a different situation. If somebody is working really hard (and maybe has several jobs) to feed a family and hardly makes ends meet, my statement might seem inappropriate. But I am writing this blog from my perspective and background: I have always been told that I had all possibilities, could study and choose any job I wanted – which proved not to be that easy for me, though it is a privilege.

When I start to apply for my first real job after university, the concept of work-life-balance did already at that point not seem particularily appealing to me. I had been searching for a job in a company, to which I could commit in an environment where I could progress. It sounded rather boring to me when a potential employer pointed out that after 5 p.m., nobody would be in the office anymore. Well, it turned out that I did not enjoy the long working hours during my first job either – because I did not like the job. I considered the deal of my second job as a whole (including the work-life-balance) as more acceptable. But not in the long term, as I was searching for more. My ideal have become those people who obviously love what their doing. And I met many of them. I recently spoke about this topic with a bookshop owner in Freudenstadt who told me about the privilege as she considers it to be doing something as a job that you really like.

When travelling, I have spoken to a lot of people who seemed to have done 1000 different activities and jobs, having seen and experienced a lot. And they seemed balanced, happy and not worried about their financial situation. As a pilgrim this winte, I met many French owners of an albergue where the same applied: they liked to meet pilgrims during the season and cared for them, but at the same time they were working around their house and doing their own things. And they seemed to be happy and making enough money to live as well. I wanted to try out the same – something that I am doing right now. I am enjoying my „one life“, working on my own and being able to structure my day as I want (more than with a fulltime job at least). I just keep on working on all fronts every day (household, renovation works, planning the works, finanical planning, cleaning and cooking for visitors and helpers, translating to earn some money…). So far so good, and I have accepted the never-being-finished-fact in the big house. I’ll see if this will hold true in the long run, as well when I will have guests all the time. Or if I will be missing coming home after work and being done for that day with work. For the moment, I keep enjoying my colorful life and hope that my enthusiasm will last.

The topic of the work-life-balance versus pursueing an activity your are fully passionate about and forget about time is a big one in literature on entrepreneurship. This is not surprising as entrepreneurs need to show real involvement in what they are doing (and this does by no means mean that this is not true for employees!). Here the last inspiring video I have watched:

https://www.youtube.com/watch?v=tnxcDOD-NoY   * Dieses Foto wurde auf dem Jakobsweg aufgenommen, als ich mit Hervé zusammen ein Stück pilgerte (Merci pour la photo, Hervé) und wir in ein winziges Dorf gelangten. Als wird das Schild mit dem Namen montravail (meine Arbeit auf Deutsch) sahen, mussten wir lachen. Ein älterer Mann trat vor die Tür und ergänzte: „Montravail ist besser als monrepos (meine Ruhe), denn in diesem Fall würde das Schild Richtung Friedhof zeigen.

* This picture has been taken on the Camino de Santiago when I was hiking with Hervé (Merci pour la photo, Hervé!) and we came through a tiny village. We had to laugh when we saw this sign montravail (meaning my work in English“). An elderly men started talking to us when we stopped and made the comment: „Montravail is better than monrepos (my rest), because in this case, the sign would show the direction to the cemetery.
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